Bildung, Unterhaltung und Begegnung für alle: Die Bibliothek im Jüdischen Museum Frankfurt
Aus alt mach neu: Wie aus einer Fachbibliothek für das Museumspersonal und die Vorbereitung neuer Ausstellungen eine öffentliche Bibliothek für alle entstanden ist.
Als das Jüdische Museum Frankfurt im Sommer 2015 für umfassende Sanierungsarbeiten geschlossen wurde, mussten auch die vielen Bücher der Museumsbibliothek in Kisten gepackt werden und ihren Standort – gelegen zwischen dem Frankfurter Willy-Brandt-Platz und der Mainpromenade – verlassen. Seit Oktober letzten Jahres können Museum und Bibliothek wieder besucht werden. Im Zuge des allgemeinen Erneuerungsprozesses konzeptionell neu gedacht, erstrahlt die Bibliothek nun in moderner und einladender Gestalt. Diesem gingen umfassende Vorbereitungsarbeiten voran, die sich in baulicher Erneuerung, einer zielgruppenorientierten Bestandserweiterung sowie in der bibliotheksspezifischen Angebots- und Programmplanung zeigten.
Ein kurzer Rückblick
Gemeinsam mit dem Jüdischen Museum eröffnete der damalige Direktor Georg Heuberger die Museumsbibliothek im November 1988. Orientiert an den Themen unseres Hauses stellt sie einen Buchbestand zu jüdischer Geschichte, Religion und Kultur bereit, der inzwischen auf rund 25.000 Publikationen angewachsen ist. Darunter finden sich Publikationen zur Religions- und Geistesgeschichte seit der Antike, Kulturgeschichte und Wirtschaftsgeschichte, zu Antisemitismus und Zionismus sowie Fachbücher zum Staat Israel.
Eine Besonderheit innerhalb der Frankfurter Bibliothekslandschaft ist die facettenreiche Regionalliteratur zu deutschsprachigen jüdischen Gemeinden. Darüber hinaus hält sie zahlreiche Ausstellungs- und Kunstkataloge bereit.
Die Basis des Buchbestands bildeten damals die persönlichen Bibliotheken der Historiker Rudolf Heilbrunn und Bernhard Brilling sowie des Rabbiners Kurt Wilhelm, die uns gleichzeitig auch ihre Nachlässe anvertrauten. Später überließ uns auch der Frankfurter Historiker und Publizist Arno Lustiger einen Teil seiner Bücher.
Die neue Museumsbibliothek erinnert an den ersten Museumsdirektor, Georg Heuberger (Foto: Norbert Miguletz, © JMF)
Licht, Wärme und Gemütlichkeit – Die baulichen Veränderungen
Ausgelöst durch die digitale Revolution und den damit verknüpften neuen Unterhaltungs- und Bildungsmöglichkeiten stellt sich für heutige Bibliotheken die Frage nach ihrer Rolle in der Gesellschaft völlig neu. Auch im Jüdischen Museum haben wir uns darüber Gedanken gemacht und eine Bibliothek als sozialen Ort erträumt, an dem man sich trifft, liest und die vielfältigen Veranstaltungsangebote nutzt. Eine solche Vision verlangt eine umfassende Umstrukturierung, angefangen bei der architektonisch-gestalterischen Planung.
Von außergewöhnlicher Gestalt ist unser neuer Lesesaal, der mit Eschenholz verkleidet und von einem großen Fenster mit Blick auf Frankfurt sowie einem weiteren Fenster zum Lichthof geprägt ist. Letzteres ermöglicht Einblicke in den Eingangsbereich des Museums sowie zum Deli, unserem Museumscafé. So kann der von Staab Architekten realisierte Erweiterungsbau unseres Museums aus besonderer Perspektive erfahren werden.
Im Lesesaal lädt ein Loungebereich mit Sofas und Sesseln zum Verweilen ein. Um dem digitalen Zeitalter gerecht zu werden, bieten wir neben Büchern auch Tablets zum Spielen oder Recherchieren an und stellen ein großes interaktives Smartboard für Workshops und Filmabende bereit. Und da wir unsere Bücher nach wie vor lieben, steht in zwei Seitenmagazinen, die vom Lesesaal aus zugänglich sind, unsere Fachliteratur zu den Themen Geschichte, Religion, Kunst und Kultur des Judentums bereit. Für Forscher*innen wurden im darüber liegenden Stockwerk abgetrennte, ruhige Arbeitsplätze eingerichtet, in denen Archivalien und wertvolle Bücher in Ruhe eingesehen und studiert werden können.
Ein Fenster erlaubt den Blick vom Lesesaal in den Lichthof und das Museumscafé (Foto: Norbert Miguletz, © JMF)
Bilderbücher, Jugendromane und Comics – unsere neuen Bücher
Ein weiteres Element unserer Bibliothekserneuerung lag in der Bestandserweiterung. Den kleinsten Besucher*innen stehen von nun an Bilderbücher in mobilen Boxen griffbereit zur Verfügung. Kinder- und Jugendliteratur sowie Comics zu jüdischer Geschichte und Kultur finden in den Regalen im Lesesaal ihren Platz. Der Bestand wurde in den vergangenen zwei Jahren aufgebaut und orientiert sich inhaltlich am Museum. Der Fokus liegt damit auf Literatur, die bereits den Jüngsten Wissenswertes über jüdische Geschichte und Kulturen sowie über so aktuelle Themen wie Vielfalt und Toleranz vermittelt. In der Frankfurter Bibliothekslandschaft ist dieser Themenschwerpunkt ein Alleinstellungsmerkmal. Darüber hinaus bieten wir Literatur zu jüdischen Persönlichkeiten sowie von jüdischen Autor*innen. Hinzu kommen neuerdings auch Bücher rund um die Familie Frank und das Tagebuch der Anne Frank.
Auf die jüngsten Besucher*innen warten nicht nur Kinderbücher, sondern auch unser Museumsmaskottchen, der Hausgeist Levy (Foto: Norbert Miguletz, © JMF)
Familiengeschichten, Bücherwürmer und Elefantendamen – Unsere Programmplanung
Besonders berücksichtigt haben wir die Möglichkeit zu Bildung und Begegnung. Angefangen bei den ganz Kleinen bieten wir mit „Lilo-Lausch“ ein Kita-Angebot für Vorschulkinder ab zwei Jahren. Mithilfe einer bunten Elefantenhandpuppe kann dabei kulturelle und sprachliche Vielfalt erlebt werden. Gerade heute ist eine frühe positive Bezugnahme zu Judentum und gelebter Vielfalt wichtig und kann dazu beitragen, Hass und Vorurteilen vorzubeugen. Lilo Lausch wartet künftig in einer Kiste auf die Bibliotheksbesucher*innen, gefüllt mit Anregungen in Form von Bilderbüchern etc., die zum Spielen einladen. Kinder im Vor- und Grundschulalter sind außerdem dazu eingeladen, einmal monatlich beim Vorlesesonntag die Geschichten und Bilderbuchschätze der Bibliothek zu entdecken.
Anknüpfend an unsere Ausstellung zur Familie Frank können Schulklassen in einem Workshop die Familiengeschichte von Anne Frank erkunden, und zwar auf Grundlage der Familienkorrespondenz. Ein weiterer Workshop behandelt den humorvollen Roman „Opa und der Hunde-Schlamassel“, in dem ein junges jüdisches Mädchen alles versucht, um einen Hund zu bekommen. In der Bibliothek gibt es außerdem ein Bücherkiste-Ausleihangebot mit altersgerechten Leseangeboten für die gesamte Schulklasse. Gewählt werden kann zwischen den Themen „Lebendiges Judentum“ über das vielfältige jüdische Leben der Gegenwart sowie der „Geschichte des Nationalsozialismus und der Schoa“.
Und auch Erwachsene kommen nicht zu kurz: Beispielsweise im offenen Lesekreis, in dem monatlich ein Buch mit Judentum-Bezug aus dem Bereich Kinder- und Jugendliteratur diskutiert wird. Unser Interesse liegt dabei auf dem pädagogischen Mehrwert oder auch der möglichen Verwendung im Unterricht. Diskutiert werden buchbezogene Fragen wie die Darstellung jüdischer Akteure, Glaubwürdigkeit, historische Exaktheit und natürlich auch der Spannungsfaktor. Darüber hinaus sind regelmäßige Lesungen zu interessanten Neuerscheinungen geplant.
Der Lesesaal steht mit der Eröffnung des Museums allen Besucher*innen offen: Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Kommen Sie vorbei, besuchen Sie uns und erzählen uns, wie es Ihnen gefällt – wir freuen uns über Anregungen und Vorschläge für ein noch schöneres Lese- und Besuchserlebnis!
Dr. Franziska Krah ist Leiterin von Museumsbibliothek, Archiv und Familie Frank Zentrum.
© Titelbild: JMF
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